Winterrallye Steiermark 2019

Es gibt in Österreich nicht viele Motorsportveranstaltungen für klassische Automobile die im Winter stattfinden, wenn die meisten Liebhaber ihre vierrädrigen Kostbarkeiten zum Teil in klimatisierten Behausungen sicher vor Kälte und Feuchtigkeit schützen, um erst wieder bei den ersten warmen und vor allem trockenen Tagen in die wunderbare Bergwelt Österreichs zu fahren.

Die Winterrallye Steiermark, die heuer bereits zum 12. Mal vom Organisator Kurt Schimitzek und seinem Team veranstaltet wurde, gehört sicherlich zu den Geheimtipps in der Szene, die weder Schnee, Eis, Kälte, Salz oder Finsternis scheuen.

Die Montan-Metropole Leoben mitten in der grünen Mark ist zentraler Punkt des Geschehens, von wo aus es an zwei Tagen zu den ehemaligen klassichen steirischen Rallyepfaden der 60er und frühen 70er Jahre geht. Die österreichische Alpenfahrt, die Semperit-Rallye bzw. 1000-Minuten-Rallye sind vielen noch ein Begriff, als alles noch etwas einfacher schien, wenn man die Bilder und Filme von damals mit dem heutigen Motorsport vergleicht. Viele Rallyeprofis der bekannten Werkteams waren hier mit noch sehr serienmäßig wirkenden Autos in Österreich zu Gast.

Auf Grund der starken Schneefälle in den Wochen zuvor boten sich den Teilnehmern ideale Bedingungen bei Temperaturen knapp unter Null Grad. Rund die Hälfte der Strecke war Schnee- bzw. Eisfahrbahn.

Bereits am Donnerstag reisten zahlreiche der aus Deutschland, der Schweiz, Italien, der Tschechei und Österreich stammenden Teilnehmer an. Insgesamt 45 Teams mit Fahrzeugen vieler Marken und Baujahren zwischen 1960 und 1990 nahmen heuer teil. Bei genauerer Besichtigung der Fahrzeuge und Ausrüstung wird klar, dass hier sehr professionell an die Sache herangegangen wird. Spikes, Schneeketten, Schneeschaufel und leistungsfähige Zusatzscheinwerfer sind nur einige Dinge, die hier obligatorisch sind.

Grundsätzlich ist es aber so, dass zwar alle modernen Hilfsmittel erlaubt sind, aber neben einem gut ausgerüsteten wintertauglichen Auto ein Tacho, eine Funk- und Stoppuhr völlig ausreichend zur Bewältigung der Aufgabe sind, ein Quäntchen Glück gehört allerdings auch dazu.

Nach der administrativen und technischen Abnahme sowie der Fahrerbesprechung erhält jedes Team im Minutentakt genau eine Stunde vor dem Start das Roadbook. Spätestens jetzt hat man den Eindruck, dass hier eine Schularbeit geschrieben wird. Die Köpfe zum Tisch geneigt, mit Leuchtstiften in verschiedenen Farben, Zirkel und Rechner wird versucht, in einer knappen Stunde die ca. 50 Seiten der Landkarte bestmöglich aufzubereiten, um alle noch so versteckten Straßen und Wege auf Anhieb zu finden.

Mit einer gemütlichen Oldtimerausfahrt hat das alles nichts zu tun. Hier stehen keine Zuseher am Rand der Strecke oder in Kurven, die von den Beifahrern durch das offene Fenster gegrüßt werden und der Fahrer von selbst weiß, ob er links oder rechts fahren muß. Nein, hier wird alles daran gesetzt, in der vorgegeben Zeit die Zwischenziele zu erreichen. Bei stark winterlichen Verhältnissen, wie heuer eben, kann es schon vorkommen, dass man aufgrund fehlender Traktion einige Kilometer zum Teil mit nur 25 km/h einen Berg hinauf fahren kann. Nicht selten entstehen so beträchtliche Rückstände auf die SOLL-Zeit, die mitunter schwer wieder wettzumachen sind. Denn auch das schnelle Bergabfahren kostet einiges an Überwindung, da die Fahrbahnverhältnisse die gleichen sind als bergauf.

Jeweils rund 400 km beträgt die zu absolvierende Strecke, die sich großteils aus Bergstrecken abseits von Gemeinde- und Bezirksstraßen zusammensetzt. Alle Fahrzeuge sind mit einem GPS-Sender ausgestattet, anhand dessen der Veranstalter genau nachvollzieht, ob auch alle die vorgegebene Strecke gefahren sind. So erfolgt auch ein Teil der Auswertung und die Vergabe von Strafpunkten.

Am Freitag um 13:01 Uhr hieß es Start frei für das erste Fahrzeug, das die Strecke von Leoben über Bruck/Mur und Frohnleiten nach Übelbach in die Gegend Geistthal – Kainach – Bärnbach – Voitsberg – St.Martin/Wöllmißberg – Modriach – Pack – Hirschegg – Gößnitz -Maria Lankowitz – Köflach – Graden und wieder retour über Kainach – Übelbach – Frohnleiten und Bruck nach Leoben in Angriff nahm.

Ab 22:30 Uhr fanden sich die Teams wieder am Hauptplatz ein. Manche nahmen sich zumindest noch die Zeit, ihr Fahrzeug für den nächsten Tag zu tanken und waschen, andere, wie wir, waren nur froh, gut angekommen zu sein und uns über die Geschehnisse des Tages noch im Arkadenhof mit den anderen Teilnehmern auszutauschen.

Am Samstag ging es bereits um 7:01 Uhr für die ersten los, das Roadbook abzuholen. Der Weg führte die Teilnehmer wieder über Bruck/Mur nach Kapfenberg und weiter nach Allerheiligen, von wo aus es nach Stanz -, Fischbach – Falkenstein – Wenigzell – St.Jakob/Walde – Rettenegg – Trattenbach – Otterthal, Raach, Altendorf, Kirchberg/Wechsel – Gloggnitz – Prigglitz – Grünbach – Miesenbach – Pernitz – Gutenstein – Rohr/Gebirge – Schwarzau – Reichenau/Rax – Breitenstein – Semmering – Steinhaus und über den Pfaffensattel nach Rettenegg – St.Kathrein – Krieglach und Kindberg zurück über Kapfenberg und Bruck nach Leoben ging.

Einer der schönsten Momente war am Samstag um 18:00 Uhr das Einfahren Richtung Hauptplatz, das Abgeben der Boardkarte und des GPS-Senders und das Wissen, es geschafft zu haben. Rund 20 Stunden ohne größere Pause zu zweit, Schulter an Schulter in einem 40-Jahre alten, relativ kleinen Fahrzeug zu verbringen, ist sicher nicht jedermanns Sache. Der Veranstalter reichte nach Überqueren der Ziellinie, wie kann es in Leoben auch anders sein, als Begrüßung und zum Anstoßen zwei Flaschen Gösser Märzen ins Auto, die wir uns mit größtem Genuss schmecken ließen.

Vom PSV-Linz Motorsport belegten Claudia und Alfred FISCHER mit dem grünen Renault 5 TS den 27. Platz, Richard und Roland DICKETMÜLLER kamen mit dem blauen Renault 5 Parisenne 2 auf Platz 33.

Nicht alle gestarteten Fahrzeuge sehen auch das Ziel. Oftmals sind technische Gebrechen an den betagten Wagen Ausfallursache Nummer eins. Mitunter kommt es leider auch vor, dass Teilnehmer an einem Unfall beteiligt sind, der das frühzeitige Aus bedeutet.

Für uns war es nach 2012 und 2015 bereits die dritte Teilnahme und hoffentlich auch nicht die Letzte.

Informationen und Bilder der Veranstaltung sind zu finden unter www.winterrallye.at / Rubrik NEWS und auf der Homepage von Fotograf Markus Tobisch auf Pressfoto.at.

Roland Dicketmüller